Rechtsanwalt Frank Durda Hoyerswerda

Familienrecht:

Das Wechselmodell

Was ist das Wechselmodell?
Lässt sich das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils einrichten?


Das sog. Wechselmodell wird unter Scheidungsfamilien immer beliebter. Schließlich wollen immer mehr Elternteile vollumfänglich an der Entwicklung und Erziehung ihrer Kinder teilhaben. Doch ist das Wechselmodell immer so vorteilhaft und was tun, wenn sich ein Elternteil dagegen wehrt?

Wichtig ist, daß sich die Frage des Wechselmodells nur mit dem Anteil des Umgangs der Eltern mit dem Kind befasst, hiervon losgelöst sind Fragen zum Sorgerecht und auch zum Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Die Frage, ob Kinder nach einer Trennung ihrer Eltern in dem Haushalt eines Elternteils oder alternierend in beiden Haushalten der Eltern aufwachsen und ob hierfür bestimmte Modelle vom Gesetzgeber vorgegeben werden sollen, ist sowohl international als auch in Deutschland Gegenstand einer kontroversen Diskussion.

Das Wechselmodell ist in Deutschland nicht gesetzlich geregelt. Eine Kinderbetreuung nach diesem Modell ist losgelöst vom gesetzlichen Sorgerecht, welches nach deutschem Recht in der Regel beiden Elternteilen gemeinsam übertragen wird. Nach § 1626a Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch erhält ein Vater durch Heirat kraft Gesetzes das gemeinsame Sorgerecht,das auch nach der Scheidung bestehen bleibt. Väter von nichtehelichen Kindern können das gemeinsame Sorgerecht gemäß § 1626a BGB beim Familiengericht beantragen.

Nach § 1627 BGB haben Eltern die elterliche Sorge zum Wohle des Kindes auszuüben. Dazu zählt auch der nach § 1626 Abs. 3 geregelte Umgang mit beiden Elternteilen oder/und Personen, zu denen das Kind eine Bindung besitzt. Daher können Eltern sich, zum Wohle des Kindes, anstelle des Residenzmodells auch auf die Ausübung des Wechselmodells/Doppelresidenzmodellseinigen. Gemäß § 1628 BGB kann bei einer Nichteinigung der Eltern über einzelne Angelegenheiten der elterlichen Sorge das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Bei der Wahl dieses Modells kann das Kind aber dennoch nur an einem Wohnort mit Hauptwohnsitz gemeldet sein und das Kindergeld wird nur an einen Elternteil gezahlt. Gemäß Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf ist der das Kindergeld beziehende Elternteil.

Alternativen zu dem in Deutschland in der großen Mehrheit aller Fälle praktizierten Residenzmodell (das Kind oder die Kinder leben nach einer Trennung bei einem Elternteil, in der überwiegenden Zahl der Fälle bei der Mutter) wurden beispielsweise schon in den achtziger Jahrendes 20. Jahrhunderts in einigen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten meist in der Form einesDoppelresidenzmodells praktiziert. Seitdem wird auch in wissenschaftlichen Kontexten diskutiert, ob, und wenn ja, in welchen Fällen vor allem eine solche Doppelresidenz sinnvoll undpraktikabel ist.

In Deutschland wird zur Beschreibung einer stetig wechselnden physischen Betreuung eines Kindes oder mehrerer Kinder nach einer Trennung der Eltern überwiegend der Begriff „Wechselmo-dell“ verwendet. Sowohl im deutschen als auch im englischen Sprachraum findet sich keine einvernehmliche Definition des Begriffs „Wechselmodell“. In Deutschland werden in diesem Zusammenhang die Begriffe „(Paritätisches) Doppelresidenzmodell“, „Pendelmodell“, „Paritätmodell“, „Co-Elternschaft“, „symmetrisches Wohnarrangement“ und – dies vor allem in der Schweiz – der Begriff „alternierende Obhut“1 verwendet.

In Hinblick auf die Zeitverteilung, in der Kinder im Wechselmodell bei den beiden Elternteilen leben, gibt es keine eindeutige Festlegung. Der Idealfall bedeutet eine „50/50“-Aufteilung, aber es sind auch asymmetrische Aufteilungen denkbar. Das Wechselmodell ist daher vom einem regelmäßigen Umgang (beispielsweise an Wochenenden) zwischen einem Kind und einem Elternteil, bei dem das Kind nicht seinen überwiegenden Aufenthaltsort hat, zu unterscheiden, da im zweiten Fall nur ein Haushalt den Lebensmittelpunkt des Kindes darstellt (Residenzmodell).

Was ist das Wechselmodell?

Das Wechselmodell steht im Gegensatz zum Residenzmodell, bei dem das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil lebt und den anderen Elternteil über begrenzte Umgangsregelungen im Abstand von zumeist 14 Tagen am Wochenende besucht. Das Wechselmodell sieht einen nahezu gleichen Betreuungsumfang beider Elternteile vor. Man unterscheidet hierbei die Variante, bei der die Eltern in getrennten Wohnungen leben und das Kind im Abstand von mehreren Tagen zwischen beiden Haushalten hin- und herpendelt und die Variante des Nestmodells. Beim Nestmodell bleibt das Kind in der früheren gemeinsamen Wohnung der Eltern wohnen, wo es im Wechsel von beiden Elternteilen betreut wird, während diese in getrennten Wohnungen während der Zeit leben, in der sie das Kind nicht betreuen. Das sog. Pendelmodell ist die weitaus üblichere Form des Wechselmodells, da das Nestmodell aufwändig und teuer ist.

Was sind die Vor- und Nachteile des Wechselmodells?

Das Wechselmodell erscheint für viele Elternpaare, die gleichermaßen Anteil an der Erziehung des Kindes haben wollen, attraktiv. Zudem entfällt die für das Kind schwierige Entscheidung, bei welchem Elternteil es leben möchte.

Dennoch gibt es auch Nachteile. Hier sei der organisatorische Aufwand genannt, der von den Eltern ein hohes Maß an Kooperation und Koordination erfordert.

Kann das Wechselmodell auch „erzwungen“ werden?

Der BGH hat im Jahr 2017 mit zwei wichtigen Urteilen eine Entscheidung zur Frage, ob ein Elternteil gegen seinen Willen ein Wechselmodell akzeptieren muss, getroffen. Grundlage für diese Urteile ist ein relevanter Fall, bei dem ein sorgenberechtigter Vater, das gemeinsame Kind, welches überwiegend bei der Mutter lebte, nur im üblichen 14-Tage Rhythmus am Wochenende sehen konnte. Dies war dem Vater entschieden zu wenig, so dass er ein Wechselmodell mit nahezu gleichmäßigen Betreuungsanteilen favorisierte.

Der Vater hatte weder beim zuständigen Amts- noch beim Oberlandesgericht Erfolg. Die Sache ging jedoch auf Grund der Geduld des Vaters bis an den BGH, der wiederum die Entscheidung der Vorinstanzen aufhob und an das OLG zurück verwies.

Das Gericht entschied, dass das Wechselmodell auch gegen den Willen der Kindesmutter eingeführt werden darf, wenn es das beste Modell für das Wohl des Kindes darstellt.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass folgende Kriterien für das Kindeswohl zu Rate gezogen werden müssen:

- die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens.

Einigkeit über das Betreuungsmodell muss nicht zwischen den Eltern bestehen. Das Wechselmodell ist daher der Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15 – Rn. 27) anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Es geht hier also um eine Einzelfallentscheidung, die voraussetzt, dass die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen des Kindes unproblematisch besucht werden können. Zudem muss das Kind zu beiden Elternteilen eine tragfähige Beziehung hat und beide Elternteile angemessen kooperieren und kommunizieren können.

Der BGH hat jedoch - zu Recht - auch klargestellt, dass bei gestörter Kooperationsbereitschaft ein Wechselmodell angeordnet werden kann. Das ist sinnvoll, denn sonst könnte der Elternteil, bei dem das Kind den überwiegenden Aufenthalt hat, durch ein negatives Kommunikationsverhalten auf Dauer ein Wechselmodell verhindern. Es gibt sicherlich auch zahlreiche Rechtsanwälte, die ihre Mandant(inn)en in dieser Hinsicht beraten. Leidtragende einer solchen Rechtsprechung und Beratungspraxis wären immer die Kinder.

Internationaler Vergleich:

Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland bei der Frage der Gleichberechtigung beider Elternteile - wie mittlerweile fast in sämtlichen Lebensbereichen - hinterher. Wie oben bereits dargesteltl wurde, gibt es eine gesetzliche Regelung zur Ausgestaltung des Umgangsrechts in der Bundesrepublik nicht. Bei den Einzelfallentscheidungen in der Rechtsprechung scheinen die Amtsgerichte und auch die Oberlandesgerichte, die in Famileinsachen in II. Instanz zuständig sind, hinterher zu hinken. Anders, als zu erwarten, werden nicht Entscheidungen mit neuen Umgangsmodellen an den BGH herangetragen; vielmehr "kippt" der BGH Urteile, in denen einem Elternteil unterinstanzlich ein Wechselmodell versagt wurde. Es hat den Anschein, als würde dem Wechselmodell von oben der Weg geebnet werden sollen, während sich die unteren Instanzen oft noch schwer tun.

In Australien ist das Wechselmodell bereits seit 2006 das gesetzliche Leitmodell, unter der Bedingung, dass dieses dem Kindeswohl dient. Seitdem hat sich die Zahl der im Wechselmodell lebenden Kinder in Australien erhöht. Hierbei muss erwähnt werden, dass dies mittelbar zu einer Besserstellung der Frau im Berufsleben führen wird, letztlich also auch der Gleichstellung der Frau dient.

Interessant ist, daß in Australien schon bei einer Umgangsquote von 35 zu 65 von einem Wechselmodell ausgegangen wird, während es hierfür in Deutschland schon einer sehr paritätischen Verteilung bedarf.

In Belgien wurde bereits 2006 das Wechselmodell als die vorrangige Betreuungsform eingeführt. Auch hier ist der Anteil der im Wechselmodell betreuten Kinder seitdem kontinuierlich gestiegen.

Seit dem Jahr 2006 ist auch in Schweden das Wechselmodell als Alternative zum Residenzmodell gesetzlich etabliert. Auch gegen den erklärten Willen eines Elternteils kann ein Familiengericht das Wechselmodell anordnen.

Großer Vorteil eines Wechselmodells ist, daß es keine Hierarchie der Fürsorgeberechtigten gibt, und allein dies zu einer verbesserten Kommunikation der Elternteile führt. Dies ist wiederum dem Wohle des Kindes zuträglich.

Ihr Rechtsanwalt für Familienrecht in Hoyerswerda
Frank Durda


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